Beim ersten Blick schon von Setsuko Fu­kushima scheinen die Arbeiten einem Na­turkundemuseum zu entstammen. Sie stellen sich wie Präparate dar. Die Vitrinen und Boxen aus schlichtem Holz zeigen Par­allelen in der Form zu den Arbeiten von Jo­seph Beuys, der ebenfalls viele Vitrinen, Bücherberge und feinlinige Zeichnungen schuf. Der inhaltliche Akzent allerdings völ­lig anders. Die Arbeiten von Setsuko Fu­kushima gehen inhaltlich in andere Richtung, in ihnen steht die Künstlerin in der Auseinandersetzung mit sich selbst, mit der Natur, der Botanik insbesondere. Sie bewahrt, sie verändert, gestaltet, stellt überraschende Zusammen­hänge her, ar­beitet in Papier, Keramik und Holz, alle­samt natürliche Materialien, die zur Transfiguration der Natur dienen, zur An­eignung und zur Gegenüberstellung. Die Objekte erscheinen vertraut und zugleich fremd. Sie sind herausgelöst aus ihren na­türlichen Zusammenhängen, in einer Art wissenschaftlicher Präzision isoliert, wer­ den sie durch Bildung von historischen, li­terarischen und bildnerischen Zusammen­hängen zu Kunstobjekten, zu einem künst­lerischen Einblick, Durchblick, Fenster in eine natürlich­ künstlerische Welt, das ge­wachsene und das künstlich geschaffene verschmelzen zu einer Einheit. So erhält der Betrachter überraschende Einsichten in scheinbar Bekanntes.

Ein Buch ist ein Buch, ist ein Buch. Oder nicht? Bei Setsuko Fukushima wird es zu einem Fenster, zu einem Objekt mit einem kleinen kreisrunden Einblick, das Fenster vor dem aufgeschlagenen Buch ist nur teil­transparent, das Buch öffnet seinen Inhalt für den Betrachter, aber nicht voll sichtbar, nicht voll zugänglich, immer in einem Spiel zwischen Transparenz und Verborgenblei­ ben und mit nur einem kleinen Ausschnitt, durch den man wirklich hineinblicken kann und durch den einem die Natur entgegen­ wächst. Diese Arbeit, die auf dem Titel die­ses Kataloges zu sehen ist, steht für einen Wesenszug im Werk von Setsuko Fukus­hima, der gleichzeitig ein Wesenszug in der Weltsicht der Künstlerin und vielleicht sogar als Wesenszug in menschlicher Er­kenntnis der Welt und Umwelt überhaupt sich abzeichnet: Der Schleier des Unwis­sens bleibt über jeder Erkenntnis, weil das Sein und das Nichts, die Fülle und die Leere zusammengehören. Die Arbeiten sind fein und filigran, sie stemmen sich nicht gegen das Nichts, sie haben nichts Brachiales, nichts Behauptendes, vielmehr gibt der Raum ihnen die Gestalt. Die Leere begegnet der Form, die Vitrine ist der Raum im Raum für die Form, Beherber­gung für das Natürliche im Künstlichen und Künstlerischen.

Ralph Tepel
Künstlerische Leitung Schloss Mitsuko